Naturalistischer Fehlschluss

Aus einer reinen Sach- oder Situationsbeschreibung eine Norm abzuleiten, bedeutet, einen Naturalistischen Fehlschluss bzw. einen Sein-Sollens-Fehlschluss zu begehen.

Das Verständnis des Naturalistischen Fehlschlusses geht im Wesentlichen auf George Edward Moore zurück. Moore war der Auffassung, dass der Ausdruck „gut“ in moralischen Kontexten undefinierbar sei. Wichtiger noch aber ist seine zweite Behauptung, wonach sich Aussagen, die den Ausdruck „gut” enthalten, nicht aus rein beschreibenden Aussagen ableiten lassen. Oder anders ausgedrückt: Etwas moralisch Gutes lässt sich nicht allein damit begründen, dass wir eine - wie wir finden - gute Sache beschreiben. Die Bewertung oder Empfehlung einer Sache bringt nämlich ein zusätzliches Moment ins Spiel, das in der Beschreibung nicht enthalten ist: ein Moment der Billigung bzw. der Stellungnahme.

 

Bei einem moralischen Argument muss daher zumindest eine der Prämissen, die in das Argument eingehen, eine bewertende oder empfehlende Prämisse sein (siehe hierzu die Erklärung zum moralischen Argument). 

Beispiel für einen naturalistischen Fehlschluss

Prämisse 1: Das Klonen von Tieren ist technisch möglich.

Prämisse 2: Die Natur klont alle Tage.

Konklusio: Das Klonen von Tieren ist moralisch in Ordnung.

 

Tatsächlich wird die bewertende oder empfehlende Prämisse einfach stillschweigend vorausgesetzt wurde. Das macht es mitunter schwierig zu entscheiden, ob man es mit einem Sein-Sollens-Fehlschluss zu tun hat oder nicht. Hinzu kommt, dass wir häufig ein Wort gleichzeitig mit einer beschreibenden als auch einer wertenden Doppelbedeutung verwenden: Wenn man beispielsweise etwas „natürlich” nennt, kann zum einen die Abwesenheit technischer Manipulation gemeint sein, gleichzeitig aber auch eine damit verbundene, positive Wertung. Ähnliches gilt zum Beispiel auch für die Worte „riskant“ (dann mit einer negativen Wertung verbunden) oder „gesund“.

 

In ethischen Diskussionen ist es deshalb wichtig, genau hinzusehen und die bewertenden oder empfehlenden Prämissen offen zu legen. Nur so kann ein naturalistischer Fehlschluss vermieden werden.


Tiefergehende Informationen

Zum Weiterlesen:
Birnbacher, Dieter: Natur als Maßstab menschlichen Handelns. - In ders. : Ökophilosopohie. Stuttgart.
Schaber, Peter (2002): Naturalistischer Fehlschluss. - in: Düwell, Marcus, Hübenthal, Christoph und Werner, Micha H. (Hrsg.): Handbuch Ethik. - Verlag J.B. Metzler, Stuttgart, S. 437-440.

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