Für Ausdruck sammeln Diese Seite per E-Mail empfehlenDiese Seite drucken

Genom-Editierung: Werkzeugkasten der Gentechnik

Unter dem Begriff Genom-Editierung (genome editing) werden verschiedene molekulargenetische Verfahren zusammengefasst, mit denen sich das Erbgut von Pflanzen, Tieren und Menschen gezielt verändern lässt. Neue Technologien wie insbesondere das CRISPR/Cas9-System funktionieren dabei wie ein besonders präziser und effizienter Werkzeugkasten der Gentechnik.

Zunächst erkennen und binden sogenannte „molekulare Scheren“ (spezielle Proteine) spezifisch eine vorgegebene Basensequenz der DNA und schneiden den DNA-Doppelstrang an dieser Stelle auf (Einführung eines Doppelstrangbruchs). Anschließend sorgen die Reparaturmechanismen der Zelle dafür, die Lücken in den DNA-Strängen wieder zu verschließen. Dabei können genetische Bausteine entfernt, ausgetauscht oder neu eingefügt werden. 

Vor allem weil diese Technologien einfacher, genauer und effizienter arbeiten als ältere Verfahren, hoffen manche, dass die Methoden der Genom-Editierung mittelfristig auch beim Menschen eingesetzt werden können. Große Erwartungen richten sich dabei auf die Prävention oder Therapie von Krankheiten wie zum Beispiel der genetisch bedingten Mukoviszidose. Auch die Möglichkeit einer gezielten Herbeiführung bestimmter erwünschter Eigenschaften, beispielsweise einer Immunität gegen Malaria, wird diskutiert. Dabei muss man zwei Arten von Interventionen auseinanderhalten: Bei der sogenanten somatischen Gentherapie wird der Eingriff an bestimmten Körperzellen eines erwachsenen Organismus vorgenommen und bleibt daher (normalerweise) auf das Individuum beschränkt. Die – nach einer künstlichen Befruchtung – im Zuge einer sogenannten Keimbahn-Intervention beim Embryo herbeigeführten Veränderungen dagegen betreffen auch dessen Keimzellen und werden entsprechend an alle seine Nachkommen vererbt. In Deutschland sind Eingriffe in die menschliche Keimbahn seit 1990 durch § 5 des Embryonenschutzgesetzes (§ 5 ESchG) verboten.

Interventionen in die menschliche Keimbahn derzeit kaum kalkulierbar

Aus ethischer Perspektive wirft vor allem die Möglichkeit von gezielten Interventionen in die Keimbahn eine Reihe von Fragen auf. Diese betreffen zunächst die mit ihrer Anwendung verbundenen gesundheitlichen Risiken für die (zukünftigen) Träger der genetischen Veränderung. Die Methoden der Genom-Editierung versprechen zwar zielgenaue Interventionen, dennoch sind mit der Anwendung des Verfahrens beim Menschen Risiken und Nebenwirkungen verbunden. Das liegt einerseits daran, dass das Verfahren selbst zur Zeit noch mit beträchtlichen Risiken durch unbeabsichtigte Nebenwirkungen (sogenannte off targetEffekte) verbunden ist.

Vor allem aber lässt sich auf dem heutigen Kenntnisstand der Molekularbiologie nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass auch die beabsichtigten Wirkungen (sogenennate on target-Effekte) einer Genom-Editierung unerwünschte Folgen haben könnten.

So ist beispielweise bei der monogenetisch bedingten Sichelzellanämie seit langem bekannt, dass heterozygote Träger dieser Genvariante gegen Malaria resistent sind. Ein Eingriff in die Keimbahn, der auf eine Eliminierung der Sichelzellenanämie zielt, würde also zugleich auch die Malaria-Resistenz des behandelten Embryos und aller seiner künftigen Nachkommen beseitigen.

Da dem Verständnis der menschlichen Genetik und Epigenetik, das heißt den komplexen genetischen Ursachen von Krankheit und Gesundheit, sowie der Interaktion von Genom und Umwelt auf absehbare Zeit deutliche Grenzen gesetzt sind, sind die Risiken von Interventionen in die menschliche Keimbahn derzeit entsprechend kaum kalkulierbar.

Werden „Designer Babys“ möglich?

Für ethisch problematisch halten manche Keimbahneingriffe darüber hinaus auch aus anderen Gründen: Entsprechende Eingriffe zielen auf eine Abwahl unerwünschter genetischer Eigenschaften bei Nachkommen. Ihre Anwendung stellt damit eine Form genetischer Selektion dar, die von manchen mit dem Argument zurückgewiesen wird, dass damit eine (ethisch nicht zu rechtfertigende) Bewertung menschlichen Lebens einhergehe. Zudem berge die Anwendung dieser Verfahren das Risiko, dass lebende Träger jener genetischen Merkmale, die durch die Methoden der Genom-Editierung eliminiert werden sollen, diskriminiert oder stigmatisiert werden könnten.

Da sich das Verfahren nicht nur zur Krankheits-Prävention, sondern auch zur Auswahl oder gar zur gezielten Herstellung bestimmter gewünschter genetischer Eigenschaften bei Nachkommen eignen könnte, fürchten manche zudem einen „Dammbruch“, da das Verfahren einen Druck zur „Optimierung“ der Nachkommen auslösen könnte („Designer Babys“).

Genom-Editierung = natürliche Mutation?

Grundsätzliche ethische Bedenken gegen die Anwendung der Methoden der Genom-Editierung beim Menschen werden schließlich auch unter Hinweis auf den Wert der „menschlichen Natur“ formuliert. Aus Sicht eines sogenannten genetic integrity-approach beispielsweise sind gentechnische Eingriffe in die Integrität der Keimbahn prinzipiell unzulässig. Ob dieser Einwand gegen die neuen Methoden der Genom-Editierung, deren Resultate auch durch natürliche Mutation entstehen könnten und deren Einsatz im Genom keine Spur „künstlicher“ Manipulation hinterlässt, triftig ist, ist jedoch umstritten.



Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen Centrum für Bioethik - Westfälische Wilhelms-Universität Münster Zentrum der Didaktik für Biologie - Westfälische Wilhelms-Universität Münster Universitätsklinikum Münster Bundesministerium für Bildung und Forschung

Mit freundlicher Unterstützung für Realisation und Design: Agentur Albrecht Verwendetes Content-Management-System: alvisio®