Identitätsargument
Das Identitäts-Argument behauptet, dass der menschliche Embryo mit dem erwachsenen Menschen bzw. der Person, die aus ihm hervorgehen wird, in moralisch relevanter Weise identisch ist.
In den Debatten um die Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen – aber auch um die Präimplantationsdiagnostik oder den Schwangerschaftsabbruch – spielt das Identitätsargument, eines der sog. SKIP-Argumente, eine wichtige Rolle. Viele, die menschlichen Embryonen einen intrinsischen moralischen Status zuschreiben, sehen dafür folgenden Grund: Der Embryo sei identisch mit dem geborenen Menschen, der unter glücklichen Umständen aus ihm hervorgehen wird. Der menschliche Entwicklungsprozess ist ein kontinuierlicher Vorgang, der keine scharfen Einschnitte aufweist. Das Identitätsargument behauptet, dass menschlichen Embryonen aus diesem Grund bereits mit dem Beginn der embryonalen Entwicklung Würde und Lebensschutz zukommt.
Einwände gegen das Identitätsargument: Möglichkeit der Zwillingsbildung
Gegen das Identitätsargument werden von Kritikerinnen und Kritikern typischerweise zwei Einwände erhoben. Der erste Einwand besteht darin, dass auf die Möglichkeit der Zwillingsbildung hingewiesen wird. Aus frühen Embryonen können bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrer Entwicklung eineiige Zwillinge hervorgehen. Dann hat man es nicht mehr mit einem, sondern mit zwei verschiedenen Lebewesen zu tun. Wie aber kann man behaupten, dass bereits eine Blastozyste mit dem geborenen Menschen identisch sei, der aus ihr hervorgehen kann, wenn doch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich aus ihr mehrere menschlichen Lebewesen entwickeln? Es besteht also, wie Kritikerinnen und Kritiker meinen, noch nicht einmal „numerische Identität“.
Einwände gegen das Identitätsargument: Moralisch relevante Identität
Der zweite Einwand ist mindestens ebenso wichtig: In welcher Hinsicht ist der frühe Embryo eigentlich mit dem geborenen Menschen, der aus ihm entstehen kann, identisch? Auf diese Frage muss das Identitätsargument eine Antwort geben. Und es muss eine Antwort darauf geben, in der gezeigt wird, dass der Embryo mit dem geborenen Menschen in moralisch relevanter Weise identisch ist. Dass der Embryo und der geborene Mensch, der aus ihm hervorgehen kann, die gleiche DNA besitzen, reicht dafür sicher nicht aus. Dass es die gleiche menschliche DNA ist, reicht aus Sicht der Kritikerinnen und Kritiker aber ebenfalls nicht aus – wie sie mit Verweis auf die Kritik am Speziesargument behaupten.
Zum Weiterlesen:
Merkel, Reinhard (2001): Rechte für Embryonen? Die Menschenwürde läßt sich nicht allein auf die biologische Zugehörigkeit zur Menscheit gründen. - in: Geyer, Christian (Hrsg.): Biopolitik. Die Positionen. - Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M., S. 51-64.
Gregor Damschen, Dieter Schönecker (Hg.). Der moralische Status menschlicher Embryonen. Berlin, New York 2003. Das Buch behandelt alle SKIP-Argumente. Zu jedem Argument wird sowohl eine Pro- wie auch eine Contra-Position entwickelt.