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Ethische Überlegungen zur Forschung mit menschlichen Embryonalen Stammzellen

Arbeitsgruppe der Evangelischen Kirche von Westfalen, Juni 2007

Ethische Überlegungen zur Forschung mit menschlichen Embryonalen Stammzellen vorgelegt von der Arbeitsgruppe Ethische Fragen der Gentechnik der Evangelischen Kirche von Westfalen.

Auszug, Kapitel 5, Stellungnahme der Arbeitsgruppe

Alle Mitglieder der Arbeitsgruppe „Ethische Fragen der Gentechnik“ sind sich darin einig, dass bereits mit der Verschmelzung von Eizellkern und Samenzellkern menschliches Leben beginnt, dem Achtung und Schutzwürdigkeit zukommt.

Das deutsche Embryonenschutzgesetz (ESchG) von 1991, nach dem menschliche Embryonen nur zum Zwecke der Fortpflanzung in vitro erzeugt werden dürfen, wird im Grundsatz bejaht.

Die Zulässigkeit der Embryonalen Stammzellforschung wird von der Gruppe nur für

„überzählige“ Embryonen, die durch In-Vitro-Fertilisation (IVF) entstehen, diskutiert, wobei die Überprüfung ihrer Herkunft durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen ist.

Andere Embryonen dürfen nicht für Forschungszwecke erzeugt oder genutzt werden. Dies betrifft das „therapeutische“ Klonen, insofern dafür gezielt Embryonen erzeugt werden müssen. Über den Grad der Zulässigkeit bestehen in der Gruppe unterschiedliche Meinungen.

  • Eine Position lehnt die Embryonale Stammzellforschung grundsätzlich ab.
    Die uneingeschränkte Schutzwürdigkeit des Embryos gilt demnach ab der Verschmelzung von Eizellkern und Samenzellkern. Zwar lässt sich aus dem biblischen Befund nicht ableiten, wann genau menschliches Leben beginnt. Aber umgekehrt hilft der Zeitpunkt der Verschmelzung, den Beginn der Entwicklung eines menschlichen Individuums biologisch zu markieren. Werdendes menschliches Leben kann ab diesem Moment als etwas begriffen werden, dem nach dem biblischen Befund Würde zukommt. Demnach steht es unter dem Schutz Gottes und der Gemeinschaft. Vor diesem Hintergrund ist selbst die Aussicht auf mögliche Therapien für bisher unheilbare Krankheiten kein hinreichender Grund, irgendeine Forschung zuzulassen, bei der menschliche Embryonen zerstört werden. Außerdem könnte eine solche Zulassung dazu führen, so wird befürchtet, dass die als ethisch unbedenklich geltende Adulte Stammzellforschung vernachlässigt wird. Selbst wenn an ihre therapeutischen Möglichkeiten inzwischen niedrigere Erwartungen geknüpft werden müssen als an die Embryonale Stammzellforschung, stellt sie eine Alternative dar.

    Ein weiterer Grund, die Embryonale Stammzellforschung abzulehnen, ist: Mit der Zulassung der In-Vitro-Fertilisation wurde die Tür für die Embryonenforschung und den daraus erwachsenden ethischen Problemen geöffnet. Mit der Embryonalen Stammzellforschung wird diese Tür weiter geöffnet. Es wird befürchtet, dass das nächste ethische Dilemma nicht lange auf sich warten lässt (so genanntes „Slippery-Slope-Argument“). Die aus dieser Perspektive verhängnisvolle Entwicklung ist uneingeschränkt zu stoppen.
  • Eine zweite Position hält die Embryonale Stammzellforschung unter engen Bedingungen und unter Beibehaltung gesetzlicher Kontrollmechanismen für zulässig:
    Genehmigungserfordernis durch interdisziplinär besetzte Gremien, Transparenz des Verfahrens und der Entscheidung für die Öffentlichkeit, hohe qualitative Anforderungen an die Forschungseinrichtung und das jeweilige Forschungsprojekt.

    Diese zweite Position erfordert eine differenzierte Stellungnahme zu Detailfragen der Stammzellforschung. Das Stammzellgesetz schreibt vor, dass nur Stammzellen importiert und genutzt werden dürfen, die vor dem 1. Januar 2002 hergestellt wurden. Die Intention dieser Regelung ist es, zu verhindern, dass für Forschungsvorhaben in Deutschland zusätzliche Embryonen erzeugt werden, um daraus Embryonale Stammzellen zu gewinnen. Diese Intention wird gewürdigt.

    Gleichzeitig wird aber gesehen, dass der gesetzlich festgeschriebene Stichtag verhindert, dass deutsche Forscher mit Stammzellen arbeiten dürfen, die dem neuesten wissenschaftlichen Qualitäts- und Wissenstand entsprechen.

    Gegenwärtig werden zwei Vorschläge für eine Veränderung der Stichtagsregelung diskutiert: Zum einen wurde eine einmalige Aktualisierung des Stichtags, zum Beispiel auf den 31. Dezember 2005, ins Gespräch gebracht1. Zum anderen ist eine turnusmäßige Anpassung des Stichtags - beispielsweise alle zwei Jahre - denkbar 2.

    Beide Vorschläge stellen keinen Ausweg aus der Problematik dar: Eine einmalige Aktualisierung des Stichtags wird nach relativ kurzer Frist eine erneute Aktualisierung erforderlich machen. Eine turnusmäßige Anpassung des Stichtags würde faktisch zu einer Aufhebung der ursprünglichen Regelung führen. Deren Intention könne auch anders Rechnung getragen werden: Die Stichtagsregelung entfällt. Sie wird ersetzt durch strenge Auflagen an die für den Import zugelassenen Stammzellen.

Wichtig ist ferner, dass keine falschen Alternativen die Debatte bestimmen

  • Adulte und Embryonale Stammzellforschung dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Erfolge der Adulten Stammzellforschung sind zu würdigen. Dieser Forschungszweig gilt als ethisch unbedenklich und ist zu fördern. Denn es ist nicht auszuschließen, dass zukünftige medizintechnische Verfahren Therapien ermöglichen, die nach heutigem Wissensstand undenkbar sind.
  • Es dürfen keine überzogenen Erwartungen geweckt werden. Für die Embryonale Stammzellforschung ist festzuhalten, dass sie sich im Stadium der Grundlagenforschung befindet. Ob und wann es zum Einsatz im klinischen Alltag kommen kann, ist nicht vorhersagbar. Deshalb ist es eine seelsorgliche Aufgabe, eine realistische Beurteilung der Therapiechancen in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen.
  • Es dürfen keine falschen Hoffnungen bei den heute noch unheilbar Erkrankten geweckt werden. Außerdem ist zum jetzigen Zeitpunkt das Argument, bei der Embryonalen Stammzellforschung würde „Leben gegen Leben ausgespielt“, so nicht haltbar. Denn eine Option auf Heilung eines Erkrankten auf Kosten eines Embryos gibt es derzeit nicht.

Die Diskussion muss ab dem Moment anders geführt werden, sobald konkrete Heilungserfolge realistisch sind.

Juni 2007



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