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Potentialitätsargument

Das Potentialitäts-Argument spricht dem menschlichen Embryo einen besonderen moralischen Status zu, weil er zwar nicht aktuell, aber potentiell über jene Eigenschaften verfügt, die für die Zuschreibung eines solchen Status ausschlaggebend sind.

In den Debatten um die Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen – aber auch um die Präimplantationsdiagnostik oder den Schwangerschaftsabbruch – spielt das Potentialitätsargument, eines der sog. SKIP-Argumente, eine wichtige Rolle. Das Potentialitätsargument spricht dem menschlichen Embryo Würde und Lebensschutz um seiner selbst willen zu, weil er sich zu einem geborenen Menschen – mit dann vollem moralischem Status – entwickeln könne. Das Potentialitätsargument spricht menschlichen Embryonen also moralischen Schutz zu, weil sie zwar nicht aktuell, aber potentiell über jene Eigenschaften verfügen, die für die Zuschreibung dieses Schutzes ausschlaggebend sind.

Kritik am Potentialitätsargument

Das Potentialitätsargument ist das einflussreichste, gleichzeitig aber auch eines der umstrittensten der SKIP-Argumente. Die Standard-Einwände lauten, dass mit dem Potentialitäts-Argument ein (1) Plausibilitäts-, ein (2) Abgrenzungs- sowie ein (3) Explikations-Problem verbunden seien:

 

(1) Ist es wirklich plausibel, dem Embryo dieselben moralischen Schutzansprüche zuzuerkennen wie dem erwachsenen Menschen, der unter glücklichen Umständen aus ihm hervorgehen wird? In anderen Fällen, so der Standardeinwand, ziehen wir diesen Schluss gerade nicht: Beispielsweise verwenden wir Kastanien ohne Skrupel als Futtermittel oder als Bastelmaterial; räumen ihnen also üblicherweise gerade nicht den gleichen Schutz ein, den wir Kastanienbäumen zuerkennen. Warum sollte es bei menschlichen Embryonen anders sein?

(2) Mit welchem Argument lassen sich diese moralischen Schutzansprüche, gesetzt den Fall, man akzeptiert sie im Falle menschlicher Embryonen, auf diese beschränken? Besitzen nicht auch Ei- und Samenzelle das Potential, sich unter geeigneten Umständen zu einem Kind bzw. zu einem erwachsenen Menschen zu entwickeln? Folgt daraus nicht, dass Vorkernstadien oder auch Ei- und Samenzellen in der Petrischale unter die Reichweite des Potentialitäts-Argumentes und damit unter ein Schutzgebot fallen?

(3) Wie kann der Potentialitäts-Begriff auf eine Weise ausbuchstabiert werden, die diese absurde Konsequenz vermeidet? Häufig wird zu diesem Zwecke zwischen einem „aktiven Potential“ einerseits und einem bloß „passiven Potential“ andererseits unterschieden. Danach haben menschliche Embryonen nicht nur ein passives, sondern ein inhärentes aktives Potential, das ihre Entwicklung steuert und formt. Diese Unterscheidung scheint freilich von theologischen oder bestimmten metaphysischen Aspekten abzuhängen, die ihrerseits begründungspflichtig sind.

Neue Herausforderungen für das Potentialitätsargument

In den älteren Auseinandersetzungen über das Potentialitätsargument ging es im Wesentlichen um die Frage der Entwicklungsfähigkeit einer befruchteten Eizelle bzw. ihrer nachfolgenden Entwicklungsstadien. Biologisch-embryologisch wird für diese Entwick­lungs­fähigkeit der Begriff der Totipotenz benutzt. Im Licht der neuen reproduk­tions­techni­schen Kenntnisse muss darüber hinaus auch das Entwicklungs­potential weiterer, künstlich erzeug­ter Entitäten in die Diskussion einbezogen werden. Hierbei geht es vor allem um Embryonen, die durch Kerntransfer-Klonen entstanden sind, und um solche, deren Entwicklungspotential (spontan oder durch eine vorangegangene Manipulation) eingeschränkt ist.

 



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