Für Ausdruck sammeln Diese Seite per E-Mail empfehlenDiese Seite drucken

Verschiedene Ethikansätze

Ist das, was die Stammzellforscher in ihren Laboren tun, moralisch schlecht? Oder ist es moralisch neutral? Oder ist es sogar moralisch gut?

Die Antwort auf diese Frage hängt nicht nur, aber auch davon ab, woran man den Wert von Handlungen bemisst. Was ist überhaupt eine gute Handlung?

Der Konsequentialismus

Eine mögliche Antwort lautet: Gute Handlungen sind solche, die gute Folgen haben. So antworten all jene, die eine konsequentialistische Ethik vertreten.

 

Konsequentialistische Ethiktheorien bemessen den Wert oder Unwert einer Handlung ausschließlich an den Folgen, die diese Handlung hat. Es gibt verschiedene Formen des Konsequentialismus.

Der Utilitarismus (abgeleitet von latein.: utilis = nützlich) ist die bekannteste und heute am meisten diskutierte Spielart. Ein Utilitarist würde sagen: Handlungen sind umso besser, je mehr sie das Glück und Wohlergehen der Menschen fördern.

 

Übertragen auf die Stammzellforscher heißt das: Wenn die Stammzellforschung das Glück in der Welt vermehrt, dann ist sie nicht nur erlaubt, sondern moralisch gut und wir sollten sie unbedingt vorantreiben.

Der deontologische Ansatz

Dem Konsequentialismus entgegengesetzt ist der deontologische Ansatz. Er besagt: Eine gute Handlung ist eine, die bestimmten moralischen Normen folgt.

Eine deontologische Ethik bemisst den Wert von Handlungen daran, ob sie bestimmten moralischen Geboten folgen.

Der berühmteste Vertreter einer deontologischen Ethik ist Immanuel Kant. Kants berühmter kategorischer Imperativ besagt sinngemäß: Wir sollen uns Vorsätze zu eigen machen, die zu allgemeinen Gesetzen werden könnten, zu Gesetzen, die alle Menschen befolgen würden.

Eine Handlung ist moralisch gut, wenn sie genau solchen Vorsätzen folgt.

 

Auch die christliche Moral ist ein Beispiel für eine deontologische Ethik. Hiernach sind die moralischen Gebote von Gott erlassen. Gut sind Handlungen, durch die man Gottes Gebote befolgt.

 

Übertragen auf die Stammzellforschung heißt das: Wenn die Stammzellforschung den moralischen Gesetzen gemäß ist, ist sie moralisch gut und wir sollten sie unbedingt vorwärtstreiben.

Die Tugendethik

Der berühmteste Vertreter der Tugendethik ist Aristoteles. Für Tugendethiker ist die Frage, welche Handlungen gut sind, schlicht nicht sonderlich wichtig. Sie plädieren vielmehr dafür, sich zu fragen, was ein guter, tugendhafter Mensch ist und wie ein solcher Mensch leben würde.

 

Dies gilt natürlich auch für alle Personen, die mit der Stammzellforschung zu tun haben:

  • Die Frauen und Männer, die von ihnen gezeugte Embryonen zur Verfügung stellen
  • die Politiker und Politikerinnen, die über die Gesetze entscheiden müssen
  • die Bürger und Bürgerinnen, die sie wählen
  • die Patienten und Patientinnen, die davon vielleicht profitieren
  • die Ärzte und Ärztinnen, die sie behandeln
  • und natürlich auch die Stammzellforscher und -forscherinnen selbst.

Theorie der Prima-facie-Pflichten

Nach dieser Theorie, die von dem englischen Philosophen Ross entwickelt wurde, ist es im Einzelfall schlicht nicht möglich zu wissen, welche konkrete Handlung gut oder richtig ist.

Übertragen auf die Stammzellforschung: Es gibt kein sicheres Ja oder Nein auf die Frage, ob sie erlaubt werden sollte oder nicht.

 

Wir Menschen kennen zwar eine ganze Palette von Pflichten, beispielsweise die Pflicht, anderen Menschen zu helfen oder die Pflicht, niemandem zu schaden. Aber trotz dieses Wissens um allgemeine Pflichten können wir nicht sicher wissen, welche Entscheidung im konkreten Fall richtig ist.

Wir können nur möglichst viele Aspekte zusammentragen, uns klarmachen, welche Pflichten bei der Stammzellforschung im Spiel sind und auf dem Spiel stehen.

Diese sollten wir dann gegeneinander abwägen und eine möglichst ausgewogene Entscheidung treffen, die aber immer unsicher bleiben wird.

Ethiktypen sind neutral gegenüber konkreten moralische Entscheidungen

Keine dieser Ethiktheorien legt uns darauf fest, für oder gegen die Stammzellforschung zu sein. Anders gesagt: Ganz gleich, ob man Konsequentialist, Deontologe, Tugendethiker oder Anhänger der Prima-facie-Pflichten-Theorie ist – man kann stets aufgrund bestimmter inhaltlicher Erwägungen dazu gelangen, die Stammzellforschung abzulehnen oder auch zu befürworten:

  • + Ein Konsequentialist, der für die Stammzellforschung ist, kann beispielsweise darauf verweisen, dass sie die Heilung vieler Krankheiten ermöglicht und damit zum Glück vieler Menschen beiträgt.
    Ein Konsequentialist, der dagegen ist, kann darauf verweisen, dass sie die Gefühle religiöser Menschen verletzt oder uns von unseren eigenen Körpern entfremdet (wodurch Menschen wiederum unglücklich werden).
  • + Ein Deontologe, der für die Stammzellforschung ist, kann darauf verweisen, dass wir die Pflicht haben, Kranke zu heilen.
    Ein Deontologe der dagegen ist, wird dies vielleicht damit begründen, dass es moralisch untersagt ist, menschliche Embryonen als bloßes Mittel zum Zweck zu verwenden.
  • Selbst religiös motivierte Deontologen müssen nicht einer Meinung sein:
    + Die einen sagen, Gott habe keine Gesetze erlassen, die Embryonen schützen,
    die anderen hingegen, dass er das sehr wohl getan habe.
  • + Ein Tugendethiker könnte sagen, dass ein guter Arzt oder eine gute Ärztin versuchen wird, Menschen gesund zu machen.
    Er könnte aber auch darauf verweisen, dass ein guter Arzt oder eine gute Ärztin die Grenzen des Lebens akzeptiert.
  • + Wer Prima-Facie-Pflichten annimmt, kann zu der Meinung gelangen, dass in diesem konkreten Fall die Pflicht, den Menschen Gutes zu tun, die Pflicht, niemandem zu schaden (auch keinem Embryo), überwiegt.
    Er kann aber auch meinen, dass es andersherum richtig ist.

Fazit

Die Vertreter verschiedener Ethiktypen können also in Bezug auf die Stammzellforschung durchaus eine Allianz eingehen – während sie zugleich ganz unterschiedlicher Auffassung darüber sind, was eigentlich eine gute Handlung ausmacht.

Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen Centrum für Bioethik - Westfälische Wilhelms-Universität Münster Zentrum der Didaktik für Biologie - Westfälische Wilhelms-Universität Münster Universitätsklinikum Münster Bundesministerium für Bildung und Forschung

Mit freundlicher Unterstützung für Realisation und Design: Agentur Albrecht Verwendetes Content-Management-System: alvisio®