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Ethische Probleme aus Sicht des Vatikans

Dieser Textauszug aus dem Jahre 2000 beleuchtet drei ethische Probleme aus Sicht der Päpstlichen Akademie für das Leben (Vatikan).

Auszug aus der Erklärung über die Herstellung sowie die wissenschaftliche und therapeutische Verwendung von menschlichen Embryonalen Stammzellen (ES)

» In diesem Dokument sollen kurz die ethischen Hauptprobleme, die aus diesen neuen Technologien erwachsen, formuliert und die Antwort angezeigt werden, die aus einer aufmerksamen Betrachtung des menschlichen Subjekts vom Augenblick seiner Empfängnis an erwächst; eine Betrachtung, auf der die vom kirchlichen Lehramt bekräftigte und vorgelegte Stellungnahme fußt.

Das erste ethische Problem, das grundlegend ist, kann so formuliert werden: „Ist es moralisch erlaubt, für die Gewinnung von ES lebende menschliche Embryone herzustellen und/oder zu verwenden“?

„Die Antwort ist negativ“, aus folgenden Gründen:

  1. Auf Grund einer vollständigen biologischen Analyse ist der menschliche Embryon von der Verschmelzung der Keimzellen an ein menschliches Subjekt mit einer ganz bestimmten Identität, das sich von diesem Zeitpunkt an kontinuierlich entwickelt und in keinem nachfolgenden Stadium als einfache Zellmasse betrachtet werden kann1.
  2. Daraus folgt: Als menschliches Individuum hat es das Recht auf eigenes Leben. Deshalb ist jeder Eingriff, der nicht zum Wohl des Embryos geschieht, ein Akt, der dieses Recht verletzt. Die Moraltheologie hat seit jeher gelehrt, daß im Fall des "ius certum tertii" das System des Probabilismus nicht anwendbar ist2.
  3. Deshalb ist das Herausnehmen der inneren Zellmasse (ICM) der Blastozyste, das den menschlichen Embryo schwer und unwiderruflich schädigt, indem es seine Entwicklung abbricht, ein schwer unmoralischer und deshalb völlig unerlaubter Akt.
  4. Kein noch so gut gemeinter Zweck kann einen Eingriff wie die Verwendung der Stammzellen rechtfertigen, die aus anderen differenzierten Zellen gewonnen werden konnten mit Blick auf erfolgversprechende therapeutische Maßnahmen. Ein guter Zweck macht eine in sich schlechte Tat nicht gut.
  5. Für den Katholiken wird diese Haltung durch das Lehramt der Kirche bekräftigt, denn in der Enzyklika Evangelium vitae heißt es (auch unter Bezugnahme auf die Instruktion Donum vitae der Kongregation für die Glaubenslehre): Die Kirche hat "stets gelehrt und lehrt noch immer, daß der Frucht der menschlichen Zeugung vom ersten Augenblick ihrer Existenz an jene unbedingte Achtung zu gewährleisten ist, die dem Menschen in seiner leiblichen und geistigen Ganzheit und Einheit moralisch geschuldet wird: 'Ein menschliches Geschöpf ist von seiner Empfängnis an als Person zu achten und zu behandeln, und deshalb sind ihm von jenem Augenblick an die Rechte einer Person zuzuerkennen, als deren erstes das unverletzliche Recht auf Leben angesehen wird, dessen sich jedwedes unschuldige menschliche Geschöpf erfreut'" (Nr. 60)3.

Das zweite ethische Problem läßt sich so formulieren: Ist es moralisch erlaubt, das sogenannte „therapeutische Klonen“ durchzuführen mit Hilfe der Herstellung von geklonten menschlichen Embryonen und ihrer nachfolgenden Zerstörung, um ES zu gewinnen?

„Die Antwort ist negativ“, aus folgendem Grund:

  • Jede Art von therapeutischem Klonen, welche die Herstellung von menschlichen Embryonen und der nachfolgenden Zerstörung der erzeugten Embryonen, aus denen Stammzellen gewonnen werden, einschließt, ist unerlaubt. Es ergibt sich also die zuvor dargelegte ethische Frage, die nur mit nein beantwortet werden kann4.

Das dritte ethische Problem kann so formuliert werden: Ist es moralisch erlaubt, die ES und die aus ihnen gewonnenen differenzierten Zellen zu verwenden, die gegebenenfalls von anderen Forschern geliefert werden oder im Handel erhältlich sind?

„Die Antwort ist negativ“, aus folgendem Grund:

  • Über die (formale oder nicht formale) Mitbeteiligung an der moralisch unerlaubten Intention des Ersthandelnden hinaus liegt im untersuchten Fall eine material sehr nahe Kooperation (cooperatio materialis proxima) in der Herstellung und Manipulation menschlicher Embryonen von seiten des Herstellers oder Lieferanten vor.

Zusammenfassend kann man sagen: Die Schwere und der Ernst des ethischen Problems, das aus der Absicht erwächst, die Herstellung und/oder Verwendung von menschlichen Embryonen auf das Forschungsgebiet des Menschen auszudehnen, treten auch in humanitärer Hinsicht ganz klar zutage.

Die Möglichkeit, „erwachsene“ Stammzellen zu demselben Zweck wie embryonale Stammzellen zu verwenden, steht als Tatsache fest, auch wenn auf beiden Gebieten noch viele weitere Schritte nötig sind, ehe man davon klare und eindeutige Ergebnisse sieht. Diese Möglichkeit zeigt den vernünftigsten und menschlichsten Weg auf, den es zu beschreiten gilt, will man einen rechten und wahren Fortschritt erzielen in diesem neuen Bereich, der sich für die Forschung und die vielversprechenden therapeutischen Anwendungen öffnet. Auf diese richten sich zweifellos die Hoffnungen eines beträchtlichen Teils der leidenden Personen.

Der Präsident

Prof. Juan de Dios Vial Correa

Der Vizepräsident

Erzbischof Elio Sgreccia

Vatikanstadt, 25 August 2000.



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