Moralisches Argument
Argumente sind der Versuch, die Richtigkeit einer bestimmten Aussage über eine andere, bereits akzeptierte, Aussage zu beweisen. Moralische Argumente sollen zudem sogar allgemeingültig sein.
Formale Struktur eines Arguments
Formal besteht ein Argument aus drei bzw. vier Elementen: Nämlich aus mindestens zwei Prämissen (das sind Aussagen, auf welche die in Frage stehende Aussage zurückgeführt werden soll), einer Schlussfolgerung bzw. Konklusion (das ist die in Frage stehende Aussage selbst) sowie einer Schlussregel und gegebenenfalls weitere Annahmen, die um des Arguments willen gemacht werden.
Prämisse 1: Alle Menschen sind sterblich
Prämisse 2: Sokrates ist ein Mensch
Konklusion: Also ist Sokrates sterblich
Moralische Argumente
Dies gilt grundsätzlich auch für moralische Argumente. Auch wer moralisch argumentiert muss Gründe dafür nennen können, warum man ein bestimmtes moralisches Urteil akzeptieren sollte; freilich Gründe einer besonderen Art. Dies liegt daran, dass wir es beim moralischen Argumentieren nicht mit der Erklärung bestimmter Sachverhalte zu tun haben, sondern mit der Rechtfertigung von Handlungen. Wenn wir die Handlung einer Person (retrospektiv) bewerten oder (prospektiv) eine bestimmte Handlung empfehlen, dann machen wir implizit oder explizit von einer Norm Gebrauch, die wir uns selbst zu eigen machen - und von der wir in der Regel denken, dass auch die Person, um deren Handlung es geht, sie sich zu eigen machen sollte.
Im Unterschied zu Erklärungen, die mit deskriptiven Prämissen auskommen, muss bei einem moralischen Argument daher zumindest eine der Prämissen, die in das Argument eingehen, eine bewertende oder empfehlende Prämisse sein. (Hier liegt im Übrigen die Quelle für den so genannten „Sein-Sollens-Fehlschluss“: Allein aus deskriptiven Aussagen lassen sich normative Aussagen nicht ableiten. Siehe auch Fehlschlüsse.)
deskriptive Prämisse: Sokrates ist ein Mensch.
normative Prämisse: Das Töten von Menschen ist moralisch verboten.
moralische Konklusion: Also darf Sokrates nicht getötet werden.
Kennzeichen eines moralischen Urteils
Diese Bestimmung reicht allerdings noch nicht aus. Gegenüber anderen wertenden Urteilen (zum Beispiel ästhetischen Urteilen) zeichnen sich moralische Urteile nämlich
- erstens dadurch aus, dass sie sich in Imperative übersetzen lassen: Das moralische Urteil „Töten ist moralisch falsch“ lässt sich auch als Imperativ „Du sollst nicht töten!“ formulieren.
- Zweitens dadurch, dass sie in irgendeinem Sinne universal sind. Wer ein moralisches Urteil ausspricht stellt sich auf einen moralischen Standpunkt, wie man auch sagen könnte; einen Standpunkt, der über einen persönlichen oder partikularistischen Standpunkt hinausreicht.
- Drittens haben moralische Urteile „unterordnende Kraft“. Damit ist gemeint, dass moralische Urteile anderen (bewertenden), zum Beispiel ästhetischen, Urteilen gegenüber stets Vorrang genießen.
Zum Weiterlesen:
Tetens, Holm (2006): Philosophisches Argumentieren. Eine Einführung. - 2., durchges. Aufl., Verlag Beck, München, 311 S.